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SO Erläuterung Haiku Babel

Haiku zum Thema „Babel“

17 – Silben – Verse von Solveig Opfermann

5-7-5-Verse

Das (oder der) Haiku gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt, stammt ursprünglich aus Japan und ist heute weltweit verbreitet.

Im Deutschen werden Haiku meist dreizeilig geschrieben. Bis vor kurzem galt die strenge Vorgabe von 5-7-5 Silben, was heute eher als Maximum pro Zeile verstanden wird. Daran habe ich mich beim Verseschmieden orientiert.

Haiku sind durch Kürze, Konkretheit und Gegenwärtigkeit gekennzeichnet. Als Wesensmerkmal gelten die nicht abgeschlossenen, offenen Texte, die sich erst im Erleben des Lesers vervollständigen.

In Abweichung von den japanischen Vorbildern entspringen meine Gedichte weniger der Naturwahrnehmung. Vielleicht sind es eher Senryu, die von der Form her Haiku sind, sich aber mehr dem Persönlichen und Emotionalen zuwenden.

Mir half die Haiku-Inspiration, mit der 5-7-5 Regel die Inhalte – hier zum Thema BABEL – zu verdichten. Man möge mir meinen spielerischen Umgang damit nachsehen.

(Beim Verfassen dieses Textes hat mir Wikipedia geholfen)

Solveig Opfermann
September 2018

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Haiku Zum Staat

Zu diesem Staat

Ist denn der Staat,
Der so oft gescholtene,
Nicht auch nur ein Mensch?

Oder ist der Staat,
für die, die ihn nicht mehr hör´n,
ein Ersatz für Gott?

Dann wäre der Staat
Das notwendige Über
Für Schwerhörige?

(Und wie geht´s denen,
die noch gut hören können,
mit diesem Staat?)

Achte die Menschen!
Sagte der Staat und verbot
allzu Menschliches.

© Solveig Opfermann
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Haiku Würde

Was willst Du werden?
Schwere fürcht ich, aber doch:
Würdenträgerin.

Würde. Was ist das?
Trag ich sie nicht in mir,
bringt sie mir keiner.

Freiheit und Würde.
Ohne einander geht´s nicht.
Zwillingsschwesternpaar.

Eingefangen im
Käfig der Bedingungen:
Freiheit und Würde.

Unantastbar?
Die Entscheidung liegt bei mir?
Unglaublich.

Alte Weisheit:
An dessen Tropf ich häng,
Des Sklave bin ich.

Kinderweisheit:
Glücklich fährst du erst
ohne Stützräder.

Übern Ladentisch
Geht, wo ich mich verkaufe,
auch meine Würde.

Des Menschen Würde?
Ein Vogel, im Taumelfall,
Verirrt im System.

Nur auf Gnade
Kannst, Opfer du, hoffen.
Nicht auf Ehre.

Das Geschäftliche
Neigt zur Ignoranz
Des Wesentlichen.

Alter Irrglaube:
Hast Du was, dann bist du was?
Wirst dran glauben…

Hast dich verloren
Im Dschungel dieses Lebens?
Schuldfrage zwecklos.

Warum ich helfe?
Um mich besser zu fühlen.
Was für ein Geschäft!

Ist denn der Staat,
Der so oft gescholtene,
Nicht auch nur ein Mensch?

Achtet die Menschen!
Sagte der Staat und verbot
allzu Menschliches.

Schuld und Scham

Schuld und Scham.
Führen vom Leben mich ab.
Wachpolizisten.

Schuld und Scham.
Halten mich gefangen.
Schergen des Systems.

Schuld und Scham
Zwingen zum Funktionieren.
Sklaventreiber.

Schuld und Scham
Weiden mir die Würde aus.
Hyänenschwestern.

Schuld und Scham.
Ich hab sie nicht gerufen.
Wo kamen sie her?

Geben wir denn,
Wenn wir nicht mehr träumen,
auch die Würde auf?

Wo pack ich denn
Bei meinem vielen Gepäck
Noch die Würde hin?

Wo ist die Würde?
Sie macht sich gern aus dem Staub,
den wir aufwirbeln.

Die Würde ist nur
lebendig begraben?
Bring den Spaten!

All meine Habe
Kommt von einem Handel her.
Woher mein Sein?

Wo wär´ die Würde,
wenn ich einfach nur wäre
und nicht hätte?

Leben ohne Sein?
Haben oder Nicht-Haben.
Ist heut´ die Frage.

Die Würde ist kein Ding,
deshalb ist sie wohl wirklich
unfasstastbar.

Würdelos zu handeln
Ist schwerwiegender als so
Behandeltwerden.

Ewiges Eilen.
Hasten von Termin zu Termin.
Ich kann nicht folgen.

Ewiges Zuviel.
Vom Müssen wie vom Haben.
Beides drückt mich.

Ewiges Ringen.
Um Freiheit, Glück und Frieden.
Und Würde wohl auch.

© Solveig Opfermann
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Haiku Vogel im Käfig

Vogel im Käfig,
Voll Sehnsucht sein Gesang,
Träumt vom Fliegen.

Vogel im Käfig,
Hat doch alles zum Leben.
Woher die Not?

Katze am Käfig,
entdeckt den Sänger,
schleicht drumherum.

Vogel im Käfig
Flattert verzweifelt,
kann nicht fliehen.

Katze am Käfig
Will den Vogel erlangen.
Der Käfig fällt.

Vogel im Käfig,
ergibt sich todesgewiss,
Als das Gitter birst.

Katze am Käfig
Fässt nach der Beute, doch jäh
Trifft sie ein Tritt.

Vogel im Käfig
Überlebt, gerettet
Von Höhrer Gewalt.

Neu ist sein Käfig,
die Sorge nun größer.
Die Katze verbannt.

Vogel im Käfig
Klagt nun Lieder vom Drama,
Nicht mehr vom Fliegen.

Vogel im Käfig
Will ihn nicht mehr verlassen,
Lässt das Sehnen sein.

Vogel im Käfig.
Wollt eben nach ihm sehen.
Der Käfig war leer.

© Solveig Opfermann
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Haiku Tanka Sehnsucht

(Tanka = 5-7-5-7-7)

Was ist Sehnsucht?

Der scheue Vogel,
der mir, die Flügel breitend,
Lebenszeichen ist.
(Auf dass ich weiter fliege,
meinem Himmel entgegen.)

Ich sehnte mich
Nach einem Wesen – mir gleich.
Bis es mir zuflog.
(Nun fliegen wir gemeinsam,
nicht ohne uns zu sehnen.)

Haiku

Wo du auch hinkommst,
wartet die Sehnsucht auf dich.
Geh weiter, sagt sie.

Sehnsucht und Hoffnung
Sind mir Mut- und Schrittmacher
Zu allen Zeiten.

Sagte nicht jemand,
Die Wunder kommen noch?
Also weiter!

Traum vom Paradies,
gebor´n in alten Zeiten,
alle erben ihn.Warum nicht fliegen,
Wenn mir doch Flügel wachsen
In jeder Nacht.

Ewige Sehnsucht,
Spür ich sie nicht, bin ich wohl
Glücklich oder tot.

Sehnsucht – das ist
Vorfreude auf etwas
Unerfüllbares.

Was mich auch treibt,
Nichts ist bestimmender
Als die Sehnsucht.

Was soll es sein,
Was mich am Leben hält,
wenn nicht die Sehnsucht?

Sonstiges

Adé, schlechte Welt!
Bin des Leidens müde,
Also unleidlich.

© Solveig Opfermann
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Haiku Sehnsucht Böhmen

Meerwärts das Sehnen,
fand doch Frieden ich jenseits,
an grünen Hügeln.

Zwar unverloren
drängt doch Sehnsucht mich hin nach
böhmischen Dörfern.

Sehnsucht und Hoffnung
spiegeln sich, Sonn und Mond gleich,
in meinem Wasser.

Sehnsucht, die stets mir
rastlos vertraute Zuflucht,
will ruhen am Meer.

Haiku-Assoziationen
zum Objekt „Sehnsucht“ von Inga Carrière
und zu „Böhmen liegt am Meer“
© Solveig Opfermann

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Haiku Schwemmland

Landschaft oder Fluss,
geflutet oder flutend,
spiegeln beide mich.
Was da so mitkommt
mit meines Lebens Wasser,
gehört´s denn zu mir?
Was sich so ablegt
an meines Flusses Ufer.
Nehm ich´s oder nicht?
Wortfindungen von Solveig Opfermann
zum Landschaftspleinair
„Schwemmland“ in Schwedt / Oder
Juli 2018
Wenn ich so dasteh
an meines Wassers Spiegel.
Bin ich´s oder nicht?
Wassergeschöpftes.
Schwemmland ist gewesenes
Land-unter-Land.
Das ew´ge Zuviel.
Dauerflut tut niemals gut
den Flossenlosen.
Nehmen und geben,
Ebbe und Flut, Freud und Leid.
Wassergebaren.
Wenn Mensch sich aufmacht,
Zu finden, dann gelingt´s ihm
Nahe den Ufern.
Manchmal wär´s besser,
das Wasser behielte für sich
einst Verschlungenes.
Was der Strom mitnimmt,
verwandelt sich, ergriffen
von des Wassers Hand.
Nur erahnbar ist,
Was oder wer im Wasser
Seine Lösung fand.
Die Flut hinterlässt
aus dem Wasser gekämmte
Rätsel in Bäumen
Glücklich das Bächlein.
Murmelt mit Kieselsteinen,
pflückt Sonnenstrahlen.
Des Lebens Fließen,
als es immer schneller ward,
ging´s an mir vorbei.
Die Freude am Tun
Erschloss sich erst jenseits von
Regelarbeitszeit.
Bin Mäanderfluss,
mitnehmend und ablegend
An Wendepunkten.
Das viele Papier.
schier unvermeidliche
Begleiterscheinung?
Das viele Papier.
Blaue Tonnen vor der Tür.
Entsorgt bin ich nicht.
Das viele Papier.
Ich verpasse mein Leben,
und die Bäume auch.
Das viele Papier.
Frage nur für Bildhauer:
Vielleicht ´ne Plastik?
Das viele Papier.
Kann´s Verbrennen. Verwandeln
zu weißer Asche.
Glückliches Papier,
welches nach der Beweislast
als Drachen abhebt.
Niemals verlassen
von allen guten Geistern.
Warum das Klagen?
Früher hat Papier
dem Dichter noch Trost gebracht.
Schwarz-auf-Weiß-Besitz.
Ein Stein liegt im Fluss.
Will ich Fluss oder Stein sein?
Oder das Fischlein?
Menschen wie Flüsse
treten über die Ufer,
wenn´s zu viel wird.
Nach all dem Fluten:
Wo finde ich mein Flussbett?
Dort, wo ich fließe.
Fruchtbares Schwemmland?
Auf den Moment kommt es an.
Minutenboden.
Die Flut ist schrecklich,
weil ich sie nicht haben will.
Sie ändert zu viel.
Die Erfindung Rügens
Wort-Findungen von Solveig Opfermann
Juli 2018
© Solveig Opfermann
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Haiku Oderflut senkrecht

Oderflut Siebenundvierzig!

Siebenundvierzig.
Der Deich brach durch Missgeschick.
Das Wasser kam schnell.

Siebenundvierzig.
Die Flut füllte die Häuser
zwei Stockwerke hoch.

Siebenundvierzig.
Durch Obstbaumblütenkronen
fuhr der Kinderkahn.

Siebenundvierzig.
Da trieb die Straße hinab
das Eichenholztor.

Siebenundvierzig.
Ich höre die Geschichten.
Keine spricht vom Leid.

© Solveig Opfermann

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Haiku Gefunden … Da war es … Und wieder … senkrecht

Gefunden, dacht ich,
Dort bei den Winden am Meer.
Die Wellen sangen.

Die Zukunft, sehnt ich,
Baut uns einen goldnen Steg.
Vom Land zur Insel.

Das Leben, hofft ich,
Will sich schon richten nach uns,
Dienend der Liebe.

Das Leben diente.
Mich das Lieben zu lehren.
Ebenso auch dich.

Herzen fliegen, doch
Keinen Steg duldet das Meer.
Tiefes Wasser bleibt.

Da war es doch,
das große Erhabene
in unsren Herzen.

Bäume und Möwen,
sie können bezeugen
das Wir, das es gab.

Ungläubig war´n wir,
gleichwohl benommen vom Wind,
der von Liebe sang.

Der Wagemut doch
verfing sich bald im Spüren
unserer Narben.

Beieinander sein
wollten wir und waren es
nur beim Abschied.

Und wieder wag ich,
Folgend dem Ruf der Insel,
Diesen Katzensprung.

Um dort zu finden
Meine Spuren im Sand und
Gründe zu bleiben.

Sie sind, wo ich bin.
Doch Halt such ich vergebens.
Die Insel schweigt mir.

Und bin ich bei ihr,
lässt sie die Arme offen.
Bleiben oder geh´n?

Zurück in der Stadt
hör ich ihr Rufen wieder,
sobald die Tür schließt.

© Solveig Opfermann